Samstag, 27. Februar 2016

Mein Heilungsweg, Teil 2 (von 5)

Es war Anfang Dezember 2013. Der Ausblick vom Aufenthaltsraum des Neurologischen Therapiezentrums Gmundnerberg auf den Traunsee und den Traunstein war zwar schön, aber irgendwie auch bedrückend. Dazu kam noch, dass mindestens einmal pro Woche beim Mittagessen darüber geredet wurde, dass "wieder einer abgestürzt" sei. Trotzdem herrschte im Aufenthaltsraum nie eine gedrückte Stimmung. Nicht einmal, als die alte Frau mit dem rosa Schlafanzug in den Tod gesprungen ist. Ich habe es gesehen, und ich bewunderte die Krankenschwestern und die Krankenpfleger dafür, wie ruhig und professionell sie mit diesem Horror umgegangen sind.

Samstag, 20. Februar 2016

Mein Heilungsweg, Teil 1 (von 5)




"I am the master of my fate: 
I am the captain of my soul."
William Ernest Henley, 'Invictus'


Mit meinem heutigen Blogartikel möchte ich mich speziell an all diejenigen wenden, die am Guillain-Barré-Syndrom erkrankt sind und sich noch immer in einem Zustand befinden, in dem sie nicht mehr daran glauben können, dass es ihnen jemals besser gehen wird.
Ich habe eineinhalb Jahre gebraucht, um endlich wieder Zuversicht aufzubauen und daran zu glauben, dass ich doch wieder geheilt werden kann.
Erkrankt bin ich im Juni 2013, und den ersten psychischen Aufschwung erlebte ich zu Jahresbeginn 2015. ab diesem Zeitpunkt wurde ich zusehends optimistischer, wobei meine Probleme mit der Krankheit damals eigentlich nur noch seelisch waren. Körperlich war ich schon lange aus dem Schneider. Ich glaube, ab Februar 2014, als ich während eines Reha-Aufenthalts eine Tiefenvenenthrombose bekam, ging es körperlich mit mir nur noch bergauf. Seitdem ist nichts mehr vorgefallen, was ich als physischen Rückschritt bezeichnen könnte.
Zugleich aber fiel ich psychisch in ein immer tieferes Loch, aus dem ich keinen Ausweg mehr sah. Ich wurde immer depressiver und entwickelte eine generalisierte Angststörung, die mir mehr zu schaffen machte, als alle organischen Probleme, die meine Krankheit mit sich brachte. Na gut, eine Zeit lang war mein körperlicher Zustand wirklich extrem dramatisch, und ich wäre fast an einem Herzstillstand, einer Atemlähmung, einem Nierenversagen, schweren Leberblutungen und einer Darmsepsis gestorben, aber daran habe ich keine bewussten Erinnerungen. Darum erscheinen sie mir als weniger bedeutend als mein ehemaliger Dauerkatheter oder die Thrombose.
Die Gefahr, durch die Thrombose eine Lungenembolie zu bekommen und daran zu sterben, war zwar nur irgendwo im Mittelfeld der Wahrscheinlichkeit angesiedelt, aber die zwei Wochen nach der Diagnose waren die schlimmste Zeit meines Lebens. Zum ersten Mal war ich der Gegenwart des Todes unmittelbar ausgesetzt. Geistig war ich immer gesund, da das Guillain-Barré-Syndrom normalerweise vor dem Hirn halt macht und nur das periphäre Nervensystem betrifft, und darum habe ich die Tage der Thrombose bei vollem Bewusstsein und klarem Verstand miterlebt. Zusätzlich hatte ich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt auch noch einen grippalen Infekt mit 43 Grad Fieber.
Schmerzen hat mir die Thrombose keine bereitet. Mein rechtes Bein war sehr stark angeschwollen, aber das war auch schon alles. Ich verbrachte zehn Tage im Bett und kann sagen, dass sie für mich wirklich die Hölle waren. Nicht körperlich, aber psychisch. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals in meinem Leben eine derartige Angst gehabt zu haben. Nicht einmal in der Anfangszeit meiner Krankengeschichte, als ich gelähmt auf der Intensivstation lag.
Vielleicht sind Sie ja gerade in genau diesem Zustand. Sie sind irgendwann vor ein paar Tagen aufgewacht, fanden sich in einem Krankenzimmer wieder, und ihr Arzt hat Ihnen gesagt, dass Sie eine schwere, aber heilbare Krankheit haben. Den Namen der Krankheit haben Sie noch nie gehört, und verstanden haben Sie ihn auch nicht. Es kann sein, dass Sie wieder völlig gesund werden, aber jetzt sind Sie am ganzen Körper, vom Hals abwärts bis zu den Füßen, gelähmt.
So war es bei mir. Es ist die erste Erinnerung, die ich an meine Krankheit habe.
Ich will jetzt gar nicht in die Details gehen, sondern Ihnen stattdessen einen groben Überblick meines Genesungsprozesses geben. Stellen Sie sich vor, dass all das, was Sie jetzt lesen werden, in dem Zeitraum zwischen Anfang Juni 2013 und Mitte Februar 2016 geschehen ist. 
Es könnte sein, dass Sie etwas ganz Ähnliches erleben wie ich, und ich würde mich freuen, wenn Ihnen meine Geschichte Hoffnung gibt. Selbstverständlich kann ich Ihnen, mein lieber GBS-Freund, mit meinem Text nicht versprechen, dass es Ihnen genauso gehen wird oder dass Sie überhaupt geheilt werden, aber ich kann Ihnen meine kurze Geschichte der kranken Zeit erzählen.
Als ich Anfang des Monats Juni auf der Intensivstation aufwachte, war ich im Zustand der Erkrankung Guillain-Barré-Syndrom mit einer Tetraparese. Ich war am ganzen Körper gelähmt und konnte nur meinen Kopf ein bisschen nach links, rechts, oben und unten bewegen, sowie schwach mit den Schultern zucken. Mein Geist war klar, ich konnte normal denken und sprechen. Zumindest, wenn ich wach war. Da war ich mir nicht immer sicher, weil mein Wachzustand teilweise nahtlos in sehr realistische und grauenhafte Träume überging.
In den darauffolgenden Tagen begann ich mit Physiotherapie und Ergotherapie. Die Therapeuten und Therapeutinnen bewegten meinen Körper in verschiedene Richtungen, hoben meine Beine und Arme an und forderten mich auf, so gut ich konnte mitzumachen. Nach kurzer Zeit gelang es mir bereits, meine Arme fast gerade über den Kopf nach hinten auszustrecken. Aus normal liegender Position, meine Arme links und rechts von mir auf der Matratze, konnte ich sie sogar etwas anheben, musste mich dafür aber sehr anstrengen.
Die Mahlzeiten wurden mir von Krankenschwestern und Krankenpflegern eingegeben. Heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass mir das Essen geschmeckt hat, aber es war so. Es war für mich immer eine kleine Auszeit aus dem ganzen Wahnsinn. Ich bekam Infusionen mit Immunglobulinen, eine Dialyse, verschiedene Medikamente und nur sehr wenig zu trinken. Das war eigentlich das Schlimmste von allem. Dazu muss ich sagen, dass ich ein Nierenversagen hatte, was für die Krankheit Guillain-Barré-Syndrom nicht typisch ist.
Zwei Monate verbrachte ich auf der Intensivstation. Mit meiner Ergotherapeutin übte ich, mit einem Papiertuch über ein Tablett zu wischen. Ich war nicht sehr erfolgreich, aber es gab mir Auftrieb. Es war das erste Mal, dass ich einen Funken Hoffnung schöpfte. Ich sah, dass mein Zustand veränderlich war. Zum Besseren. 
Meine Physiotherapeuten legten mich auf eine Liege, die man senkrecht aufstellen konnte. Ich war daran angeschnallt und sollte so meine Rumpfstabilität und den Kreislauf trainieren. Maximal fünfundvierzig Minuten habe ich es ausgehalten. Es war furchtbar, aber es hat geholfen.

Intensivstation LKH Vöcklabruck (2 Monate): 

Die Physio- und Ergotherapeuten begannen damit, meinen Körper wieder in Bewegung zu bringen. Ich selbst konnte so gut wie nichts tun. Meine Arme konnte ich nicht selbst über den Kopf heben, aber es ging mit Hilfe meiner Therapeutin von Mal zu Mal besser. Am Anfang sehr schmerzhaft, dann immer weniger. Ich war aus eigener Kraft vollkommen unbeweglich, konnte nur meinen Kopf ein wenig nach links, rechts, unten und oben bewegen. Die Therapeutinnen und Therapeuten massierten meine Arme und Beine, hoben und senkten sie, testeten meinen Tastsinn und den Zustand meiner Muskeln, Nerven und Gelenke. 
Der Therapeut machte immer wieder Tests mit mir und fragte mich, wo seine Finger gerade liegen. Ich glaubte, etwas am Fußrücken zu spüren, aber in Wirklichkeit war er an der Fußsohle oder am Schienbein.
Heute, zwei Jahre und acht Monate später, ist mein Gefühl in Beinen und Füßen wieder fast normal. An Ober- und Unterschenkeln spüre ich alles, an den Vorfüßen und Sohlen fast alles und in den Zehenspitzen ein bisschen etwas. Selbstständig bewegen kann ich die Füße auch heute noch nicht richtig. Ich kann sie zwar ein- bis zwei Zentimeter anheben, aber nicht so weit, dass ich mein Gewicht im Stehen ausbalancieren könnte. Die Zehen kann ich minimal bewegen.
Mitte August 2013 wurde ich auf die neurologische Station verlegt. Dort verbrachte ich vier Monate. Physio- und Ergotherapie im Bett oder in den Trainingsräumen des Krankenhauses. Ich hatte bei bestimmten Bewegungen meiner Beine immer kurze, extrem heftige Schmerzen in der rechten Hüfte. Im Laufe der Zeit bekam ich eine Motorschiene, an die mein rechtes Bein angeschnallt war und es in einem 75-Grad-Winkel auf-und abbewegte. Ich trainierte meine Arme auf einem Motomed-Pedaltrainer und lernte noch andere therapeutische Geräte kennen. Auch die Stehübungen auf der Liege machten wir weiter. Allerdings schon mit Fortschritten. 
So konnte ich meinen Oberkörper bereits ein wenig nach vorne beugen, zum Therapeuten hin. Dabei hatte ich große Angst, aus der Liege zu fallen. Gleichzeitig wusste ich aber, dass das unmöglich war. Ich war ja fixiert. Ausser ein paar mittelschweren Wadenkrämpfen lief alles schmerzfrei ab, und auch mein Kreislauf wurde immer stabiler. In der ganzen Zeit der Krankheit und der Therapien hatte ich nie mit Schwindel zu kämpfen.
Im Laufe dieser vier Monate wurde mein körperlicher Zustand immer besser, aber ich war noch weit davon entfernt, mich selbstständig aufsetzen oder die Beine bewegen zu können. Um die Muskeln meiner Arme zu stärken, zog ich an einem grünen Theraband, dass am Trapez über mir befestigt war. Ich saß Querbett und ließ mich mit Suppe füttern.
Mein seelischer Zustand war relativ stabil. Dafür, dass ich den ganzen Tag im Bett verbrachte und in die Luft schaute, war ich erstaunlich optimistisch. Das änderte sich mit stundenlangen Blasenkrämpfen in einer Nacht. Meinen Katheter mochte ich noch nie, aber acht Stunden Schmerzen und Harndrang, dass die Blase fast platzt, haben ihn endgültig zu meinem Feindbild Nummer Eins gemacht. Jetzt habe ich schon seit fünf Monaten keinen Katheter mehr, aber die Erinnerung daran plagt mich heute noch ein bisschen. 
Ein transurethraler Dauerkatheter ist zwar ein nützliches Instrument, aber die Urologen nennen ihn nicht umsonst den "Dolch des Urologen". In der gesamten Zeit meiner Krankheit hat mich nichts derartig gequält wie Trudi, wie ich den Katheter dann nannte. Ich hatte nach dieser Nacht deswegen zwar nie wieder körperliche Schmerzen, aber die seelischen haben mich an den Rand der Verzweiflung gebracht.

Neurologie LKH Vöcklabruck (4 Monate):

In den vier Monaten Neurologie habe ich viele Rumpfübungen gemacht. Beugeübungen, greifen, zur Seite lehnen und mich mit den Ellenbogen abstützen, Becher und Kegel greifen und stapeln, Querbettsitzen. Einmal habe ich mich, am Bettrand sitzend, so weit nach vorne und nach unten gebeugt, dass ich durch einen Strohhalm Wasser aus einem Glas trinken konnte. Das Glas befand sich etwas tiefer als die Sitzfläche der Matratze.
Als ich mich völlig erschöpft, schwitzend und keuchend wieder zurücklehnte und gerade vielleicht eine Minute durchgeatmet hatte, sagte mein Physiotherapeut Alfred: "Die Anstrengung macht sicher durstig. Ich finde, Sie sollten noch einen Schluck nehmen." Aaarrrggh, dachte ich, nahm den Schluck aber. Und siehe da, es war leichter. Schließlich hatte ich es geschafft, das ganze Glas leerzutrinken und fühlte mich, als hätte ich gerade ein Flugzeug mit den Zähnen gezogen. Ich war stolz auf mich, und glaubte wieder daran, eines Tages so ein Glas ganz normal mit meinen Fingern am Henkel zu nehmen und daraus zu trinken. 
Heute kann ich das.
So stabilisierten sich mein Körper und meine gesamte Verfassung allmählich. Zwar konnte ich mich noch nicht selbst geraderücken, wenn ich im Bett saß und immer weiter nach rechts rutschte, aber mit meinen Ellenbogen konnte ich die Fernsteuerung des Bettes erreichen, mich flach hinlegen und darauf warten, dass eine Krankenschwester kam. Oder ich habe einen der anderen Patienten gebeten, eine zu rufen.
Traurig, verängstigt und hoffnungslos war ich trotzdem die meiste Zeit des Tages. Durch Konzentration und geistige Arbeit konnte ich mich aber relativ leicht in einen neutralen Zustand versetzen. So wurde alles erträglich. Ablenkung hatte ich jeden Tag durch Physio- und Ergotherapie.
Am Ende meines Aufenthalts auf der Neuro machte ich mit meiner Ergotherapeutin Julia eine Art Abschiedsessen. Leider war es kein romantisches Candlelightdinner, sondern eine junge schlanke Frau und ein nicht mehr ganz so junger dicker Mann, der mit nichts anderem bekleidet war als einem hinten offenen kurzärmeligen Krankenhausnachthemd und einem transurethralen Dauerkatheter. So würde ich gerne einmal ins Hotel Sacher gehen.
Ich saß wieder querbett, einen riesigen grauen Würfel als Rückenstütze. Ich sollte ja das Essen üben und nicht nur das Sitzen. Es gab gebratenen Tiefkühllachs mit Kartoffeln. Ich hatte eine Gabel, ein Messer und eine Therapeutin, die nicht im Traum daran dachte, mir zu helfen. Sie war sehr geduldig, feuerte mich dezent an, und ich glaube, sie war zum Schluss richtig stolz auf mich.
Eine Dreiviertelstunde habe ich gebraucht, um drei kleine Stücke Lachs und vier kleine halbe Kartoffeln zu essen. Ohne Witz. Fünfundvierzig Minuten schneiden, auf die Gabel spießen und zum Mund heben. Es war anstrengend, sage ich Ihnen. Ich habe geschwitzt und hatte bald keine Lust mehr. Aber Julia hat mich ermutigt, nicht aufzugeben. Schließlich hatte ich es geschafft. Jetzt verstehe ich endlich, was "Slow Food" bedeutet.
Schließlich war meine Zeit auf der Neuro im Landeskrankenhaus Vöcklabruck abgelaufen, und ich wurde zur Reha ins Neurologische Therapiezentrum Gmundnerberg verlegt. Ein halbes Jahr war ich im Krankenhaus. Ich will meinen Zustand und die Schwere meiner Krankheit nicht verklären, aber ich kann heute, mehr als zwei Jahre später, sagen, dass es eine schöne Zeit war. So schrecklich das Guillain-Barré-Syndrom auch ist, soviele körperlichen Gefahren und seelischen Qualen ich auch durchstehen musste, habe ich doch erleben dürfen, während der Zeit einer so schweren und lebensbedrohlichen Krankheit umsorgt, gepflegt, therapiert und sowohl physisch als auch psychisch aufgebaut zu werden. Vielen Dank an alle, die mir geholfen haben!
Februar 2016. Gegenwart:

Ich werde Ihnen einfach schildern, was ich jetzt gerade mache. Ich sitze beim Schreibtisch in meinem Zimmer im Behindertendorf Altenhof am Hausruck. Es ist der 20. Februar 2016, 15:05 Uhr. Ich schreibe diesen Beitrag für meinen heutigen Blogpost. Vor mir, auf dem Tisch steht ein schräg geneigtes iPad 2, auf dem ich mit meinen Zeigefingern diese Zeilen tippe. Meine Unterarme liegen auf den Armlehnen meines elektrischen Rollstuhls. Die Rückenlehne habe ich ein wenig zurückgeneigt, meine Füße stehen auf den Platten zweier Fußstützen, nicht ganz ausgestreckt, aber bequem. Ich trage eine schwarze Trainingshose, ein graues Polohemd und eine dunkelblaue Trainingsjacke mit roten und weißen Längsstreifen.
Meine Laune ist heiter bis wolkig, aus irgendeinem Grund erwarte ich immer noch den letzten vernichtenden Schicksalsschlag, aber er klopft eher in meinem Hinterkopf als mir direkt ins Gesicht zu hämmern, wie das früher auf der Intensivstation war und noch lange Zeit danach.
Warum ich Ihnen das erzähle? Um Ihnen ein Bild meiner Fortschritte seit 2013 zu zeigen. Als ich auf der Intensivstation nach zwei Wochen künstlichem Tiefschlaf aufwachte, hatte ich keine Möglichkeit, detaillierte Informationen über das Guillain-Barré-Syndrom zu bekommen. Mir sagten zwar Ärzte und Krankenschwestern, was ich wissen wollte, aber damit musste ich mich zufrieden geben. Computer konnte ich noch keine bedienen, also musste das Internet warten.
Ich hätte damals gerne Erfahrungsberichte von Menschen mit dem Guillain-Barré-Syndrom gelesen oder gehört. Aber die gab es nicht. Ich kannte keine Fakten und Daten, die mich ein bisschen hätten aufbauen können. Viel hätte ich dafür gegeben, einen Menschen mit dieser Krankheit kennenzulernen und mit ihm reden zu können. Das geschah erst ein halbes Jahr später, während meines Reha-Aufenthalts.
Genau das ist einer der wichtigsten Gründe, warum ich diesen Blog schreibe und nicht damit aufhöre, jeden Samstag einen neuen Beitrag zu veröffentlichen. Oft fällt mir die ganze Woche nichts ein, und ich glaube, alles schon erzählt zu haben. Wiederholen will ich mich auch nicht, aber ich glaube, das lässt sich nicht ganz vermeiden.
Hauptsache, meine Erzählungen helfen Ihnen. Und wenn Sie selber nicht GBS haben, können Sie sich vielleicht gut darüber informieren.

Wenn Ihnen meine breite Palette aus Ölfarben zu bunt ist, hier die Kurzfassung. Malen nach Zahlen:

1. Intensivstation (Juni 2013):

• Total gelähmt
• Langsames Bewegen des Kopfes
• Mühsames Heben der Arme
• Wischen über Tablett
• Arme nach hinten strecken
• Stehliege
• Rumpfstabilität

2. Neuro (August 2013 - Dezember 2013):

• Beine durchbewegen
• Arme durchbewegen
• Aufstehübungen
• Nach Wasserglas greifen und trinken
• Querbettsitzen
• Beugen, Kugel, Würfel
• Finger massieren
• Motomed
• Lachs essen

3. Reha Gmundnerberg (Dezember 2013 - April 2014):

• ADL
• Selbstständig essen
• Querbett
• Beugeübungen nach vorne und zur Seite
• Rollstuhl
• Beine durchbewegen
• Rumpfstabilität gut
• Kegel, Becher stapeln
• Stehtisch
• Redcord - Beine in Schlingen bewegen
• Elektrotherapie
• Amadeo
• Wesentliche Verbesserung der Körperhaltung
• Wesentliche Verbesserung der Muskelkraft

4. Behindertendorf Altenhof (April 2014 - Februar 2016): 

• Rumpfstabilität sehr gut
• Streckübungen
• Keilkissen
• Aufstehübungen mit Rollator und Barren
• Arme, Hände, Beine massieren
• Geschicklichkeitsspiele (Jenga, Mühle, Vier gewinnt, Master Mind, Memory)
• Gehübungen am Barren
• Aufstehübungen und Gehübungen an der Laufkatze
• Mit E-Rolli unterwegs. Filme machen, zeichnen, schreiben, Eis essen
• Aufstehübungen am Rollator ohne Gewichte und Fixierung
• Aufstehübungen am Gehbock
• Gehübungen am Gehbock
• Gesprächstherapie (wesentliche Verbesserung meines emotionalen und seelischen Zustandes)
• Langsame aber merkliche Rückkehr in ein normales Leben
• Kreative Projekte (Konzertvideos, Assista-Film)

Ab nächster Woche werde ich auf meinem Blog mehr über die Therapien und Fortschritte meiner Heilungszeit erzählen. Ich mag den Ausdruck Heilungszeit viel lieber als Krankenzeit. Auch das ist für mich ein großer Fortschritt. Ich konzentriere mich inzwischen auf die positiven Dinge. Wenn Sie meinen Blog schon länger verfolgen, wissen Sie ja noch, was ich früher so geschrieben habe.
Nächstes Mal geht es dann um die Zeit in der Reha. Jetzt könnte ich sagen, halten Sie die Ohren steif, aber bei unserer Krankheit ist sowieso alles in Totenstarre. Also, halten Sie sich beweglich, auch, wenn es weh tut.
Auch, wenn es weh tut.
Der Meister Ihres Schicksals und der Kapitän Ihrer Seele sind Sie selbst.




Einen Moment noch, bitte!

Wenn Ihnen meine Blogartikel über die wunderbare Welt des Guillain-Barré-Syndroms gefallen, schreiben Sie doch bitte einen Kommentar zu diesem oder einem anderen Beitrag. Oder Sie hinterlassen eine Bewertung direkt unter diesem Text in der Rubrik Reaktionen mit den Kästchen zum Anklicken.


Auch über E-Mails würde ich mich freuen:

Samstag, 13. Februar 2016

Der Schattenspringer

Du bist glücklich, zuversichtlich und gesund! Vergiss das nicht in deiner Starre! Deine Beine sind gelähmt, also steh auf und geh! Deine Arme sind gelähmt, also breite sie aus und begrüße das Leben! 

Deine Finger sind verkrümmt. Winke! Deine Flügel sind gebrochen. Flieg!

Samstag, 6. Februar 2016

Bärenschritte

"I’ m walking, yes indeed!"
Fats Domino

Anfang Juni 2013 bin ich in meinem damaligen Zuhause in Seewalchen am Attersee vor meinem Bett gestolpert und gestürzt und konnte danach nicht mehr aufstehen. Das war gegen Mitternacht. Irgendwie schaffte ich es, mich mit den Unterarmen am Fußende des Bettes hochzuziehen, die Beine nachzuheben und mich auf den Rücken zu legen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie sehr und wie schmerzhaft diese kleine Unachtsamkeit mit dem darauf folgenden Sturz mein Leben verändern würde. Ich konnte noch nicht ahnen, dass mit meinem Fall auf den Boden auch meine ganze Welt einstürzen würde.