Samstag, 22. Dezember 2018

Amen Mahlzeit




Große, staunende Kinderaugen, funkelnde Lichter am Tannenbaum, weihnachtlicher Zauber liegt in der Luft. Es duftet nach Keksen, Lebkuchen und Zimt. Nach Spekulatius und Christbaumkerzen aus Bienenwachs. Kleine rote Bratäpfel schmoren im Backofen. Die Dämmerung zieht über das kleine Dorf, Draußen riecht es nach frisch gefallenem Schnee, und in den Herzen der Menschen herrscht Friede und Ruh'.


Wir versammeln uns im großen Veranstaltungssaal, der, hinreißend geschmückt, zu besinnlichem Feiern einlädt. Die Vorfreude auf die zu singenden Weihnachtslieder vereint uns in Demut und Dankbarkeit. Wir Menschen sind gar nicht voneinander getrennt. In Wahrheit sind wir ein großer Chor, Gemeinsam singen wir ein Lied, das schon vor langer Zeit zum ewigen Symbol für das Fest der Liebe geworden ist. 

Last Christmas, I gave you my heart.

Äh, Moment mal. Bin ich im falschen Film. Wos' n jetz los? Heute stehen doch Haleluja und Hosanna am Programm. Und außerdem is' des Englisch. Des vaschteh' i ned, w,ei i ind da Schui a faula Dodl woa. 

Erschüttert und zutiefst betroffen wird mir gewahr, dass ich gar nich auf dem märchenhaft schönen Fest bin, sondern auf der Assista-Weihnachtsfeier. Naja, denke ich mir, macht ja nix. Auch hier, im großen Veranstaltungssaal des Hauptgebäudes im Assistadorf für behinderte Menschen mit Beeinträchtigungen wird sich die weihnachtliche Stimmung schnell offenbaren. 

Ich bin enttäuscht, weil ich mir mehr erwartet hatte. Es war die übliche Abfolge von uninspirierten Reden mit den üblichen Floskeln, wie Bescheidenheit, Besinnlichkeit, Demut, Egoismus, Ehrlichkeit, einkaufen, Kindlein, Stall, Schnellebigkeit, Weihnachtstrubel, Sinn von Weihnachten, Weihnachtsstress, Wirtschaft und so weiter. Einer der Redner hat die Frage gestellt, ob angesichts der politischen Lage Weihnachten weltweit überhaupt noch eine Bedeutung habe. Nein, Herr Redner, hat es nicht. Über eine Milliarde Asiaten und Muslime feiern Weihnachten nicht. Das liegt aber nicht an der politischen Weltlage, sondern an deren Religionen. Ochs' und Esel haben dort nicht dieselbe Bedeutung wie bei uns. Und das Kindlein auf dem Stroh im Stall zu Bethlehem auch nicht. Religiöse Bildungslücken gibt es überall, aber so zu tun, als würde die ganze Welt Weihnachten feiern, ist wirklich ein Witz. 

Und wenn dann noch ein Trachtenduo auf schrillen Holzinstrumenten aus der Steinzeit traditionslastige Volksweisen in die miserabel abgestimmtes Mikrophone kreischt, dass einem die Trommelfelle fast zerreißen, fragt man sich, was das verstaubte Heimatgeschrammel mit Weihnachten zu tun haben soll. Das war keine Weihnachtsmusik, das war ein Barotrauma. Das kriegt man normalerweise nur vom zu schnellen auftauchen, kann aber auch mit dem uroberösterreichischen Originaldudelsack aus präzivilisatorischer Urzeit erreicht werden. Der im Gegröle dieser Brauchtumsterroristen erschlagene Weihnachtsfrieden erwacht dann aber doch wieder, wenn die zünftigen Lederhosenbuam ein zu besinnlicher und frommer Einkehr führendes Weihnachtslied anstimmen. O, Dudel, Dudel, Dudelsack.

Zwischendurch ein recht interessantes Video, in dem einige der Dorfbewohner erzählen, was das Leben bei Assista für sie bedeutet. Entfaltung, Sicherheit, Selbstbestimmung, Hoffnung und Lebensfreude. Ein warmes Zuhause mit einem Dach über dem Kopf. Aufrichtige und tief empfundene Worte von Menschen, denen man anmerkt, dass sie einfach nur von ihrem Leben erzählen ohne eine fragwürdige Botschaft übermitteln zu wollen. Man möge sie doch bitte für nächstes Jahr als Redenschreiber engagieren. So könnte dem einfältigen Gefasel der Redenschwinger endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Und das geklaute Jesuskind muss dann auch nicht mehr im Gepäckträger eines Mopeds liegen.

Traurig, wenn man sagen muss, dass das schönste an einer Weihnachtsfeier ein zähes Schnitzel war, aber so war es halt. Die Veranstaltung hat in einer großen Halle stattgefunden, in der etwa dreihundert Menschen anwesend waren. Gut, dafür können die Organisatoren nichts, aber der Lärmpegel machte jede sinnvolle Unterhaltung unmöglich. Es war eigentlich eine Art verspätetes Oktoberfest. Ein Pfarrer, der seinen Weihnachtsengen mit den Worten Amen, Mahlzeit beendet, ist allerdings durchaus originell. Vielleicht interpretiere ich da zu viel hinein, aber diese beiden Worte Amen, Mahlzeit drücken aus, was vielleicht der wirkliche Sinn von Weihnachten ist: Religiöse Vertiefung und Freude am Leben. Zwei Worte nur, die einem den Geist der Weihnacht auf eine einfache und schöne Art nahebringen. Ohne seelenloses Redengequatsche und Gedudel, das einem gewaltig auf den Sack geht. 

Von Weihnachten gab es auf der diesjährigen Assista-Feier keine Spur. Eine einzige schöne und das Herz erfreuende Weihnachtsgeschichte hätte mir schon gereicht. Oder ein paar Gedichte. Sanfte Berieselung mit weihnachtlicher Instrumentalmusik aus den Lautsprechern wäre gut gewesen. Nicht ein einziges schönes Weihnachtslied wurde gesungen. Außer "Es wird scho glei' dumpa". Zumindest war dieses Lied einmal schön, aber mittlerweile ist es zur weihnachtlichen Zwangshandlung verkommen. Nur "Last Christmas" ist noch schlimmer, aber nicht viel, und das Dumpaliad' l ist ihm dicht auf den Fersen. 

So. Der Dampf musste raus. Wobei, es gibt eigentlich gar keinen Grund, enttäuscht zu sein. Es war die vierte Weihnachtsfeier, die ich hier bei Assista in Altenhof miterlebt habe. Die anderen drei waren genauso. Was habe ich denn erwartet? Eine Zeitreise in die Vergangenheit, die mich mit staunenden Augen und lachendem Herzen in meine Kindheit zurückbringt?

Schön wär' s. Aber eine weihnachtliche Athmosphäre, die wenigstens ein paar Grad über dem Gefrierpunkt liegt, hätte mir auch genügt. Nein, mir war nicht kalt. Die Halle war bestens geheizt. Mir hat nur der Duft von kleinen Bratäpfeln und heißen Maroni gefehlt. Ein bisschen katholische Folklore. Und die Hoffnung, dass an der Jesusgeschichte tatsächlich etwas dran sein könnte. 

Das alljährliche weihnachtliche Geschäftsessen ist also vorbei. Ich habe wieder einmal viel über Zahlen, Fakten, Prognosen, Sparmaßnahmen und Finanzen gehört. Und natürlich das Pauschalrezept bei Geldsorgen. Nicht jammern, sondern zusammenhalten, sich der Herausforderung stellen und nach Lösungswegen suchen. Schön, dass dieses Problem so leicht aus der Welt zu schaffen ist.. Hat aber mit Weihnachten so viel zu tun wie ein geplatzter Scheck. 

Darauf gewartet habe ich bis zum Schluss. Wenige Kekse und ein Schnitzel später starre ich besinnlich auf die leere Phiole, die, versehen mit dem Etikett einer berühmten oberösterreichischen Brauerei, so tut, als wäre sie eine echte Bierflasche. Zwei davon habe ich schon intus und schaue mich nach den hübschen jungen Kellnerinnen um, die mit den Getränkewägen durch die Reihen fahren. Ich kann sie nirgendwo sehen, und total verrenken will ich mich für ein paar Tropfen Hopfentee auch nicht. Also beschließe ich, die diesjährige Weihnachtsfeier zu verlassen. 

Genaugenommen war ich ja gar nicht dort, weil es ja keine Weihnachtsfeier war, sondern eher ein verfrühter Faschingsgschnas, nur ohne Kostüme. Auch die liturgische Wandlung von Weihnachten zu Biernachten hat nicht stattgefunden. Stocknüchtern fahre ich in meinem E-Rolli nach Hause. Zum abschleppen war auch nichts dabei, aber die echt feschen Haserln kommen ja erst zu Ostern. 

Mein Fazit: Eine langatmige, uninspirierte Veranstaltung ohne auch nur einen Hauch von weihnachtlicher Stimmung. Keine Weihnachtslieder, nur Lärmbelästigung, nicht nur durch die unpassenden Musikdarbietungen, sondern vor allem durch die von mehr als 300 Gästen verursachte Geräuschlulisse. Bei diesem Dauergemurmel verstand man sein eigenes Wort nicht, Unterhaltungen mit jemandem an der gegenüberliegenden Seite des Tisches, waren unmöglich. Leere Floskeln, Wirtschaftsgelabere, seelenlose Reden, dümmliche Geschichten, ätzende Musik und eine Athmosphäre wie bei einer Beerdigung.

Nur zur Information für die Veranstalter: Zu Weihnachten feiert man die Geburt des Gottessohnes und nicht sein Begräbnis. Es erstrahlt das Licht der Hoffnung auf Erlösung von allem Leid. So war es jedenfalls ursprünglich gemeint. Obwohl die Jesusgeschichte von Bethlehem bis Golgatha kein historisches Fundament hat, ist es doch eine Parabel,auf das Leben und die geistige Reife eines Menschen. Vor allem aber ist es eine schöne Geschichte. Voller Trost, Poesie und wundervoller Bildhaftigkeit. Ich wünsche mir oft, sie wäre wahr. Wahrhaftig ist sie auf jeden Fall. 

Allzu negativ möchte ich diesen Text aber nicht beenden. Es gab bei dieser Weihnachtsfeier etwas, das mir sicher lange in positiver Erinnerung bleiben wird. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass es das Highlight des Abends war.

 Preiselbeeren mit Zwiebeln und einem Klacks Kartoffelsalat.

Amen, Mahlzeit.



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