Samstag, 26. September 2015

Lucky Lux - Freude und Licht

Es gibt ein Wundermittel gegen Zweifel, Sorgen und Ängste.
Nicht nur eines, es gibt sehr viele. Es gibt Medikamente, die Ängste und Depressionen lindern, indem sie den Serotoningehalt im Hirn erhöhen. Diese Theorie ist zwar umstritten, da noch nicht genau geklärt ist, wie das Serotonin exakt wirkt, aber sie ist in der Medizin die gängige Ausgangsposition bei der Behandlung von Ängsten und Depressionen.
Serotonin ist ein Hormon, das zu neunzig Prozent im Magen gebildet wird. Das erklärt, warum die tryptophanhaltige Schokolade Glücksgefühle erzeugt. Tryptophan wird im Körper in Serotonin umgewandelt und wirkt stimmungsaufhellend auf den Patienten.
Das liegt daran, dass die Übertragung der Nervenimpulse vom Hirn in den Körper dadurch erst ermöglicht wird. Die Synapsen, also die leeren Stellen zwischen den Nerven verhindern eigentlich die Übertragung der elektrischen Impulse. Serotonin und andere Hormone geben ihnen den richtigen Schub. Sehr vereinfacht ausgedrückt. Leider wird in den Nervenenden das Serotonin auch wieder abgebaut. Die entsprechenden Medikamente verhindern, dass das Serotonin wieder in die Blutbahn aufgenommen und durch die Nieren ausgeschieden wird. Darum nennt man diese Medikamente auch Serotoninwiederaufnahmehemmer.
Man könnte sagen, dass das Serotonin ein Bote der guten Laune ist.
Aber sagte ich nicht, es gäbe ein Wundermittel gegen Zweifel, Sorgen und Ängste? Serotonin ist vielleicht ein solches, aber nur eines. Affirmationen und Mantras sind zwei weitere. Darüber habe ich ja schon geschrieben. Vielleicht helfen Sie Ihnen weiter, wenn Sie auch manchmal an Mutlosigkeit leiden. In meinen Blogposts "Mach Dich neu!" und "Meine Meditation macht Mut" erfahren Sie mehr darüber.
Sonnenlicht ist auch gut für die Verbesserung der Stimmung. Genaugenommen tut es jedes Licht, es muss nur stark genug sein. Bei Dunkelheit entsteht im Körper das Hormon Melatonin. Es sorgt für Müdigkeit und dafür, dass wir einschlafen können. Leider verursacht es aber auch Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Viel Licht bedeutet wenig Melatonin. Das ist zwar kein Allheilmittel gegen Depressionen und Schwermut, aber wir alle kennen den positiven Effekt, den Licht in uns auslöst, wenn wir niedergeschlagen sind. Licht ist also im wahrsten Sinne des Wortes ein Stimmungsaufheller.
Dabei brauchen wir gar nicht so viel Licht, wie man allgemein glaubt. Viele Menschen leiden unter Winterdepressionen. Trübes Wetter, wenig Licht, und kalt ist es auch noch. Und eisig. Selbst junge und gesunde Menschen fühlen sich bei schlechtem Wetter anders als bei Sonnenschein. So etwas Banales wie das Wetter hat die Macht, über unsere Gemütslage zu bestimmen und uns den Spaß an der Freud' zu verderben.
Das liegt aber nicht an der Lichtstärke. Gut, ein strahlender Sommertag erreicht einen Wert von 100.000 Lux. Ein trüber Wintertag etwa 3000 Lux. Für viele Menschen erklärt das, warum sie saisonal bedingte Depressionen haben. Aber ist es wirklich so einfach? Erklärt das den Ursprung der Depression? Hier ein kleiner Lichtblick, für alle, die sich jetzt schon vor dem Winter fürchten:
Um gute Laune zu haben, braucht der Mensch nur mindestens 2500 Lux. Nichts gegen einen schönen heissen 100.000-Lux-Tag, aber dieser Vergleich zeigt, dass das Phänomen Winterdepression zu einem großen Teil auf der vom Menschen entwickelten Erwartungshaltung basiert. Da ein Wintertag auf 3000 Lux kommt, bedeutet das, die Lichtstärke für gute Laune ist weit geringer als der finsterste Wintertag. Meine Vermutung ist, dass nicht der Lichtmangel für die Winterdepression verantwortlich ist, sondern das Fehlen der Farben im Frühling. Nur an Farben fehlt' s im Revier, wie Goethe sagte.
Doch zurück zu meiner Eingangsbehauptung, es gäbe ein Wundermittel. Es existiert tatsächlich, und es ist wirkungsvoller, als ich je gedacht hätte. Es ist kein Medikament, keine Philosophie, keine Religion und auch kein Aberglaube. Es ist nicht einmal etwas Spirituelles, Sie brauchen nicht an etwas zu glauben, damit dieses Mittel auch bei Ihnen wirkt. Sie müssen es nur anwenden. Ja, sie müssen das Mittel nehmen und damit etwas tun. Aber nicht schlucken, sich damit eincremen oder es in die Venen spritzen. Sie müssen, und ich schreibe das bewusst in der Befehlsform, handeln. Agieren. Machen. Tun.
Leicht gesagt, wenn einem der Antrieb dazu fehlt. Wie denn? Wie soll ich denn in Aktion treten, wenn ich nicht einmal die Motivation habe, eine auf den Boden gefallene Zwei-Euro-Münze aufzuheben?
Es ist ganz einfach. Sie müssen sich...nein, nicht aufraffen oder den inneren Schweinehund bekämpfen. Der Schweinehund kämpft nämlich nicht zurück. Er ist ziemlich feige. Er weicht immer nur aus und stellt sich nie einer...
Entscheidung.
Und genau da liegt der Hund begraben. Ich konnte lange Zeit keine Verbesserung meiner Stimmungslage feststellen, weil ich mich nicht dazu entscheiden konnte. Bewusst entscheiden. Ich meine damit nicht, zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten zu wählen, sondern sich bewusst zu etwas zu entscheiden.
Zu, nicht für.
Sie können sich für Schokolade- oder Vanilleeis entscheiden. Oder für eine bestimmte Hemdfarbe. Stellen Sie sich vor, Sie stünden vor Ihrem Kleiderschrank und glauben, sich entscheiden zu müssen, was sie anziehen wollen. In Wirklichkeit müssen Sie gar nichts, aber Sie sind es gewöhnt, sich immer für das Eine oder das Andere entscheiden zu müssen. Darum fällt es oft so schwer, eine Entscheidung zu treffen.
Was aber, wenn Sie schon am Abend davor, wenn Sie sich mit einem guten E-Book ins Bett kuscheln, gezielt für das lila T-Shirt entscheiden. Wenn Sie eine Frau sind, tun Sie das wahrscheinlich sowieso fast immer. Lila ist jetzt schon seit Jahren eine Modefarbe. Eine Zeit lang war es besonders zu Weihnachten sehr schlimm. Fast alle Frauen waren lila gekleidet. Sie merken vielleicht, dass die Farbe Lila nicht unbedingt zu meinen Lieblingen gehört. Aber der Film ist super!
So. Sie stehen also unschlüssig vor Ihrem Schrank, kauen auf der Unterlippe und fragen sich, was Sie heute anziehen sollen. Vielleicht haben Sie ja einen Freund oder Mann oder beides, und der würde Ihnen dann sicher mit einem schiefen Grinsen vorschlagen, gar nichts anzuziehen. Wenn Sie ihm gefallen. Da kann man sich ja nie so sicher sein. Egal.
Sie können Sich nicht entscheiden. Das ist ja der Grund, warum Sie einen Mann und einen Feund haben. Oder, wenn Sie ein Mann sind, haben Sie vielleicht ebenfalls eine Frau und einen Freund. Oder so ähnlich. Und warum können Sie sich nicht entscheiden? Weil Sie die Qual der Wahl haben. Und das liegt daran, dass Sie es gewöhnt sind, sich zwischen zwei Alternativen entscheiden zu müssen. Entweder oder. Dafür oder dagegen.
Ich empfehle Ihnen folgendes Entscheidungsspiel: Entscheiden Sie sich nicht für das eine oder das andere und auch nicht für etwas oder gegen etwas, sondern treffen Sie bewusst, von Anfang an eine Entscheidung ZU etwas.
ZU.
Gut eineinhalb Jahre lang war ich es gewöhnt, in der Früh in meinem Krankenbett aufzuwachen und mir zu denken: Schon wieder! Wieder so ein Tag. Medikamente. Spritzen. Infusionen. Schmerzen. Ängste. Hofnungslosigkeit. Therapien. Unsichere Zukunft, Depressionen und noch mehr Angst. Ich zählte die Stunden, bis der Tag endlich vorbei war. Im Bett fühlte ich mich zumindest einigermaßen sicher und hatte auch nie Probleme mit dem Einschlafen.
Aber mein letzter Gedanke eines jeden Tages war immer: Morgen geht das alles wieder von vorne los. Und übermorgen auch. So sank meine Motivation, gesund zu werden, immer weiter in Richtung Nullpunkt. Dazu kam noch, dass die Fortschritte beim Guillain-Barré-Syndrom zwar oft spontan kommen, buchstäblich über Nacht, aber dazwischen herrscht dann wieder wochenlanger Stillstand. Je länger dieser Zustand andauerte und die Erfolge dann nur klein waren oder überhaupt nur den Therapeuten auffielen, mir aber nicht, desto pessimistischer wurde ich.
Sicher ist das auch bei anderen Krankheiten so, aber aus der Literatur über das Guillain-Barré-Syndrom weiß ich, dass besonders bei dieser Erkrankung die Patienten irgendwann aufgeben. Und zwar, indem sie sich mit ihrem Zustand zufrieden geben. In meinem Blogpost "Zufriedenheit tötet!" habe ich schon darüber geschrieben. Man bewegt sich dann nicht voran, Schritt für Schritt in ein neues Leben, sondern gibt sich mit dem reinen Weiterleben zufrieden. Überleben und wirklich leben sind aber zwei vollkommen unterschiedliche Dinge.
Eines Tages gab mir dann meine Therapeutin für klientenzentrierte Gesprächstherapie den Tipp, einfach etwas tu tun. Zu handeln und nicht immer nur zu grübeln. Einen bewussten Entschluss zu fassen.
Da fällt mir sofort Shakespeare ein. Der berühmte Hamlet-Monolog. Da heisst es zum Thema Grübeln und Entscheidungsschwäche: 
"Die angebor' ne Farbe der Entschließung - Durch des Gedankens Blässe angekränkelt. Und Wagestücke hohen Flugs und Werts, durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt, verlieren so der Handlung Namen."
Übersetzt: Die natürliche, dem Menschen angeborene Entschlussfähigkeit, wird durch die Schwäche seiner Gedanken zerstört. Und die guten Vorsätze, ein Wagnis einzugehen, werden durch all diese Überlegungen zum Schwanken gebracht. Man wird unsicher. Schließlich weiß man nicht mehr, was man machen soll.
Der Handlung Namen. Im Original "The Name of Action". Das wäre doch ein guter Titel für einen James-Bond-Film, oder?
Was ist der Name Ihrer Handlung? Wie heisst Ihre Entscheidung?
Heisst sie entweder oder? Für oder wider? Dies oder das? Einerseits und andererseits?
Geben Sie Ihren Taten Namen!
Entscheidung ist ein guter Name, finde ich. Noch vor einem Jahr habe ich in mein Tagebuch Sätze geschrieben, wie: "Ich hoffe, dass es mir morgen besser geht und ich meine Beine ein bisschen bewegen kann". Gehofft habe ich überhaupt sehr viel. Aber noch mehr habe ich gezweifelt. Ja, wie denn? Wie soll denn das gehen? Das geht nicht! Das kann nicht gehen! Es waren Sätze, die für mich heute so klingen, als hätte ich mich selbst beschrieben. Ich meinte in Wirklichkeit: Wie soll ich denn gehen? Ich kann nicht gehen! Kein Wunder, dass ich das irgendwann geglaubt habe. Ich habe mich durch meine Zweifel und Ängste sosehr negativ programmiert, dass ich schließlich das tat, was jeder Roboter tut:
Ich funktionierte. Reibungslos. Wie geölt. Ich bewegte mich mühelos und ohne Gegenwind.
Leider in die falsche Richtung.
Ich bewegte mich nicht aus der Lähmung heraus, sondern glitt sanft und ohne es zu bemerken in eine neue, noch viel schlimmere Lähmung als die Tetraparese. Grausamer und erbarmungsloser, als es das Guillain-Barré-Syndrom jemals sein könnte.
Es war eine seelische Lähmung.
Des Gedankens Blässe.
Dagegen hilft nicht nur ein einziges Mittel. Tabletten und Therapien alleine sind nicht effektiv genug. Sich nur auf Serotonin und Sonnenlicht zu verlassen, ist zu wenig. Ablenkung, Beschäftigung, Kommunikation und Geselligkeit helfen ebenfalls nur bedingt. Auch tröstende und aufmunternde Worte alleine reichen nicht aus, um wieder ins Leben zurückzukehren.
Die angebor' ne Farbe der Entschließung ist die beste Triebfeder für den Lebensmotor.
Um eine Entscheidung zu etwas zu treffen, braucht man keine Motivation und auch nicht den Glauben daran, dass es funktionieren wird. Man muss es einfach nur tun. Einfach machen und sehen, was passiert. Just Do It!
Und dranbleiben! Ein einziger Versuch ist zu wenig. Jeder Tag muss ein Tag werden, an dem man seine Entscheidungen beim Namen nennt. Diese Namen können ganze Sätze sein. Es können Affirmationen sein, Mantras und auch Gebete. Wichtig ist, dass man sich selbst dabei in Aktion treten lässt. Es ist eine Sache, darum zu bitten, dass etwas gut ausgehen wird, aber eine ganz andere, selbst etwas dazu beizutragen und um die Kraft zu bitten, stark genug zu sein. Das alles klingt vielleicht banal und ist sicher etwas, das sowieso jeder weiß.
Aber wissen alleine bringt dich nicht in Gang! Du musst auch handeln!
Und so schreibe ich heute in mein Tagebuch und in meinen Blog:
Ich entschließe mich dazu, morgen einen großartigen Tag zu haben und alles zu erreichen, was ich will.
Zugegeben, das funktioniert nicht auf Anhieb und auch nicht immer, aber mit der Zeit verwandelt es das Dasein in ein Dabeisein. Natürlich erlebt man zwischendurch auch einen Wintertag. Heute ist die Kraft in den Beinmuskeln größer, und morgen kommt man nicht einmal richtig in die Höhe zum Querbettsitzen. Aber das Hoffen, Bangen und Zweifeln beiseite zu schieben und sich stattdessen dazu zu entschließen, dass es ein super Tag werden wird, ist eine äußerst wirkungsvolle Antriebsfeder.
Es gehört vielleicht eine ordentliche Portion Mut dazu. Ich habe mich lange nicht getraut, positiv zu denken. Die negativen Vorstellungen einfach durch ihr Gegenteil zu ersetzen. Ich fand das vermessen und hochmütig. Außerdem finde ich, dass man sich nie allzu sicher sein soll. Es war bei mir schon fast eine Art Aberglaube. Lange Zeit dachte ich ernsthaft, positives Denken könnte Unglück bringen, weil die Anmaßung über meine eigene Gesundheit bestimmen zu können, pure Eitelkeit sei. Meine Gesundheit, mein Schicksal und meine Zukunft lagen für mich unbeeinflussbar nur in den Händen der Ärzte.
Heute weiß ich, dass das nicht stimmt. Selbst der beste und idealistischste Arzt kann einem nicht eine neue Weltanschauung einprogrammieren. Dazu muss man sich einfach entscheiden.
Und das bedeutet, man muss gegen sich selbst kämpfen. Glauben Sie mir, wenn man mehr als vierzig Jahre lang in der Überzeugung gelebt hat, dass es Unglück bringt, wenn man sich zu sicher ist oder sich zu früh freut, dann ist es unglaublich schwer, diese Ansicht umzudrehen und fortan an das Gegenteil zu glauben. Außerdem muss man seine neue Philosophie auch in die Tat umsetzen, denn von einem bin ich überzeugt: Jede Philosophie ist nur so viel wert wie ihre Anwendbarkeit.
Inzwischen habe ich gelernt, dass es kein Unglück bringt, wenn ich mir ganz sicher bin, dass ich wieder normal werde gehen können. Es war ein langer Lernprozess, mit viel ängstlicher Herumsitzerei. Weitergebracht haben mich Zufriedenheit, Bescheidenheit und Demut nicht einen einzigen Zentimeter.
Fest daran zu glauben, dass man geheiltt wird, den Mächten zu vertrauen und auf ein Wunder zu warten, ist genauso wirkungsvoll wie in den Eingeweiden einer Ratte die Zukunft lesen zu wollen.
Auf alle graue Theorie und die dazugehörigen Wintertage zu pfeifen und stattdessen eine bewusste und klare Entscheidung zu fällen, führt dich nicht nur aus dem zähflüssigen Boden des Verzagens, sondern macht auch den Weg vor dir wieder frei und leichter begehbar.

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